Grosse Ereignisse werfen ihren Schatten voraus: An der Kantonsschule Kreuzlingen wurde der eidgenössische Wahlherbst 2023 mit einer Podiumsdiskussion eingeläutet. Eine hochkarätig besetzte Gruppe von Kandidatinnen und Kandidaten stellte sich unter der Moderation von Eva Büchi und David Angst Fragen aus der Schülerschaft.
Daniel Hurtado
Schon weit vor den Sommerferien begannen an der Kantonsschule Kreuzlingen für die Schülerinnen und Schüler die Vorbereitungen auf die Podiumsdiskussion vom 12. September. Gemeinsam mit ihren Geschichtslehrpersonen trugen alle dritten und vierten Klassen im Unterricht Fragen zusammen, die ihnen unter den Nägeln brannten. Davon gab es viele – so viele, dass die Lehrpersonen die Fragen zuerst nach Themen sortieren mussten, um die spannendsten aussuchen zu können.
Mit diesen Fragen wurden jetzt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Podiumsdiskussion konfrontiert. Gestellt haben sich ihnen Eveline Bachmann (SVP), Karin Bétrisey (Grüne), Philipp Gemperle (FDP), Stefan Leutold (GLP), Nina Schläfli (SP) und Marc Rüdisüli (Die Mitte). Sie alle kandidieren für den Nationalrat, Leutold auch für den Ständerat. Unter der Moderation von Eva Büchi (Geschichtslehrerin an der Kantonsschule Kreuzlingen) und David Angst (Chef-Redaktor der Thurgauer Zeitung) entstand eine von Beginn an angeregte und gehaltvolle Diskussion.
Klimaziele 2050 und Gleichstellung der Geschlechter
In der ersten Gesprächsrunde vor den vierten Klassen, die im Sommer ihre Maturaprüfungen ablegen werden, standen die Themen Klimaziele 2050 und Gleichstellung der Geschlechter im Vordergrund. Bei der Frage von David Angst, ob man «Klima-Kleber-Aktionen» wie diejenigen von Extinction Rebellion unterstütze, waren sich noch alle einig («Nein»). Als es dann aber um konkrete Massnahmen rund um die Klimaziele 2050 ging, erfuhren die Schülerinnen und Schüler ein erstes Mal, wie unterschiedlich die Positionen der Kandidierenden bereits bei der Frage waren, welche Rolle der Staat dabei einnehmen soll. Ähnlich spannend waren die Ansichten zur Gleichstellung der Geschlechter: Wie schon beim Klimawandel war man sich zwar im Grundsatz einig, nicht aber in der Umsetzung. Besonders heftige verbale Auseinandersetzungen rief das Thema Frauenquoten hervor – auch aus dem Publikum wurden kritische Fragen dazu gestellt. Wiederum aus den Reihen des Publikums kam später ein Lösungsvorschlag, der durch alle Reihen hindurch ein anerkennendes Nicken auslöste: Eine Schülerin regte an, das Problem mit anonymen Bewerbungen anzugehen.
Krieg in der Ukraine, Stimmrechtsalter 16 und Crack-Krise
In der zweiten Diskussionsrunde liessen die Kandidierenden keinerlei Ermüdungserscheinungen erkennen. Vor den dritten Klassen führten sie eine wie schon zuvor ausgesprochen konstruktive Diskussion zum Angriff auf die Ukraine, dem Stimmrechtsalter 16 und der sich anbahnenden Crack-Krise in Schweizer Städten. Wiederum war man sich im Grundsatz oft einig («Russland hat die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen»), stritt sich aber leidenschaftlich über konkrete Themen wie die Neutralitätspolitik der Schweiz. Gerade ob Schweizer Waffen von Drittstaaten an die Ukraine weiterverkauft werden dürfen, wurde sehr unterschiedlich beurteilt. Dabei zeigten sich die Politikerinnen und Politiker reflektiert, beispielsweise als es um eine Neubewertung der eigenen Position zur Armee vor dem Hintergrund des Krieges ging. Dem Publikum wurde nicht erst hier klar, dass man zwischen der Parteiposition und der Ansicht der einzelnen Kandidierenden durchaus unterscheiden muss. Beim Stimmrechtsalter 16 wurde dann deutlich, dass die Kandidierenden den oft noch unter 18 Jahre alten Schülerinnen und Schülern keineswegs nach dem Mund redeten: Nicht alle befürworteten eine Senkung des Stimmrechtsalters.
Dass die Schweizer Ausprägung der Demokratie bei der Suche nach Kompromissen zurecht als mustergültig gilt, demonstrierten die Kandierenden bei diesem Thema zum Schluss der Diskussion: Unabhängig vom politischen Standpunkt zum Stimmrechtsalter befürworteten alle eine starke politische Bildung in der Schule. Die Podiumsdiskussion an der Kantonsschule Kreuzlingen empfanden sie als gelungenes Beispiel dafür. Die Veranstaltung endete denn auch mit einem parteiübergreifenden Aufruf an die Jugendlichen: Politik ist zu wichtig, um sich nicht dafür zu interessieren. Und wer das Wahlrecht schon hat, soll unbedingt von diesem Privileg Gebrauch machen. Darüber gab es nichts zu diskutieren.