Auch Zuhören will gelernt sein

Auch Zuhören will gelernt sein

Beim Besuch an der Universität Konstanz erhielten die Schülerinnen und Schüler der KSK einen Einblick in eine Lehr- und Lernkultur, die sich von jener am Gymnasium deutlich unterscheidet.

Michael Volkart

Die drei Wochen zwischen Weihnachts- und Sportferien bieten sich, sofern die Noten für das Herbstsemester bereits gesetzt sind, als gutes Zeitfenster für Exkursionen an. Die Schülerinnen und Schüler des Ergänzungsfachs Philosophie, Pädagogik und Psychologie (PPP) besuchten aus diesem Grund eine Philosophievorlesung an unserer Partneruniversität in Konstanz. In der Vorbereitung auf den Besuch setzten sich die Schülerinnen und Schüler im Unterricht intensiv mit der politischen Theorie des US-Philosophen John Rawls (1921–2002) auseinander, der mit seinem Buch Eine Theorie der Gerechtigkeit in den 1970er-Jahren die politische Philosophie neu belebte und Diskussionen anstiess, die bis heute andauern.

Auf dem Weg zur Vorlesung (Michael Volkart)

Die Kernidee der Rawls’schen Theorie besteht darin, dass Fragen der Gerechtigkeit losgelöst von persönlichen Wertvorstellungen und Lebensentwürfen betrachtet werden müssen. Rawls schlägt vor, sich dazu hinter einen «Schleier des Nichtwissens» zu begeben und hypothetisch davon auszugehen, jede mögliche von einer Entscheidung betroffene Person zu sein. Konkret gefragt kann dies bedeuten: Welche Steuerpolitik würde ein Superreicher wie Elon Musk fordern, wenn er sich zukünftig potentiell plötzlich auf der anderen Seite der Wohlstandsskala befände? Oder im schulischen Kontext: Welche Entscheidungen würde der Konvent der Lehrpersonen fällen, wenn eine Lehrperson möglicherweise in der Folge die Rolle einer Schülerin einnähme?

Um wahre Gerechtigkeit zu finden, so Rawls, sollten wir uns solche Szenarien immer vor Augen führen und von unserer ganz eigenen Weltsicht so gut wie möglich abstrahieren. Die Wurzeln dieses Gedankens lassen sich ideengeschichtlich weit zurückverfolgen, so beispielsweise zu Jean-Jacques Rousseaus’ Abgrenzung zwischen der volonté générale und der volonté de tous. Anstatt Partikularinteressen zu verfolgen, sollten wir kraft unserer Vernunft feststellen, worin der Allgemeinwille besteht und diesen als Richtwert heranziehen, so Rousseau. Mit Blick auf politische und gesellschaftliche Diskussionen ist es naheliegend, zu hinterfragen, ob es einen solchen, für alle einsichtigen Allgemeinwillen überhaupt geben kann. Gleichzeitig bildet die Annahme, dass das Richtige allgemein erkennbar ist, die Grundlage für Konzepte wie Immanuel Kants kategorischen Imperativ oder auch für den Glauben an die Ideen der Aufklärung und der Demokratie.

Die Suche nach dem richtigen Vorlesungssaal gestaltete sich im Labyrinth der Universität Konstanz anspruchsvoll. (Michael Volkart)

An die Inhalte der Vorlesung, die eine Einführung in die Grundbegriffe der praktischen Philosophie darstellte, konnten die Schülerinnen und Schüler des EF PPP gut anknüpfen, denn viele der Punkte, die hier erläutert wurden, waren bereits im Unterricht genau erarbeitet worden. Ungewohnt war jedoch die Herangehensweise an die Thematik. Während im Unterricht am Gymnasium die Textarbeit und die Diskussion im Mittelpunkt stehen, besteht der Auftrag für die Studierenden an der Universität, zumindest im Rahmen einer Vorlesung, vor allem im Zuhören und Mitschreiben. Ebenfalls gibt es an der Universität keine Präsenzpflicht, so dass sich die Zusammensetzung im Hörsaal im Verlauf der zwei Stunden wiederholt veränderte. Verpasster Stoff muss ohne weitere Hilfestellung selbstständig nachgearbeitet werden. Neben den fachlichen Inhalten konnten also auch allgemeine Erkenntnisse zum Studium aus dem Besuch an der Universität mitgenommen werden: Wer im Studium bestehen will, braucht ein hohes Mass an Selbstdisziplin.

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