17 Monate Probezeit fürs Prorektorat

17 Monate Probezeit fürs Prorektorat

Der Grosse Rat hat den Wunsch von Rektor Marcello Indino erfüllt. Ab 1. Januar 2022 hat die KSK nicht nur definitiv zwei Prorektoratsstellen, sie werden auch mit seinen Wunschkandidaten besetzt. Mathematik- und Informatiklehrerin Geraldine Lamanna und Geschichts- und Deutschlehrer Daniel Hurtado werden von Interims- zu fixen Prorektoren.

Marcello Indino

Können Sie sich an Ihre Probezeit an der KSK erinnern? Auch für jene von Ihnen, die nie ernsthaft Angst haben mussten, diese nicht zu bestehen, wird es kaum eine der angenehmsten Erinnerungen sein. Ein halbes Jahr lang das Gefühl haben, noch nicht richtig dazuzugehören. Monatelang im Wissen leben, dass jede Note grosse Auswirkungen haben kann. Ein halbes Jahr lang die Befürchtung mit sich rumtragen, dass alles umsonst sein könnte.

Zweifelsohne eine missliche Ausgangslage, die es so nicht mehr geben dürfte! Aber immerhin war es nach knapp sechs Monaten vorbei. Hätten Sie einen solchen Start auf sich genommen, wenn die Probezeit doppelt so lang gewesen wäre? Oder gar drei Mal so lang? Ich kaum… Nun, die längste Probezeit der KSK haben Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado am 31. Dezember 2021 hinter sich gebracht – nach 17 Monaten!

Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado sind definitiv Prorektoren der KSK. (Johannes Rebhan)

Neue Strukturen in der Schulleitung

Als im Januar 2020 mein Vorgänger nach fast 20 Jahren ankündigte, unsere Schule zu verlassen, wurde ich per August 2020 als Interimsrektor eingesetzt. Ich war damals erst seit wenigen Monaten Prorektor und überhaupt erst seit vier Jahren an der der KSK. Trotzdem war ich gerne bereit, diese Herausforderung anzunehmen – und würde es wieder tun. Aber ich war nicht bereit, das wie in den Jahren zuvor mit nur einer zweiköpfigen pädagogischen Schulleitung zu tun.

Einerseits fehlte mir damals schlichtweg die notwendige Erfahrung, um das Amt mit nur einer Prorektorin oder einem Prorektor an meiner Seite zu bestreiten. Ich war zwar seit zwei Jahren neben meiner Tätigkeit als Lehrperson für Psychologie/Pädagogik und Philosophie/Religion an der KSK zu 60 Prozent auch Schulleiter einer Sekundarschule nahe Frauenfeld. Aber Rektor einer Kantonsschule? Ein vollkommen anderes Kaliber!  

Andererseits war – und bin ich immer noch – der festen Überzeugung, dass eine Kantonsschule mit dem Potenzial (nicht nur der Grösse) der KSK zwei Personen im Prorektorat verdient! Es gibt nicht nur im Schulalltag genug zu tun, sondern noch viel mehr, was man in Zukunft alles tun könnte. Schulentwicklung braucht genug Köpfe, die mitdenken, mitgestalten und mitentwickeln – und zwar in der ganzen Schulgemeinschaft. Damit ist folgendes gemeint:

Eine partizipativ gestaltete Schule benötigt in der Schulleitung genug personelle Ressourcen, um die Zeit finden zu können, auf Bedürfnisse einzugehen und Visionen umzusetzen. Je grösser die Schulleitung, desto besser kann man die ganze Schulgemeinschaft in alle Prozesse und Entscheidungen einbinden. Die Schulleitung muss nicht gross genug sein, um alles selbst machen zu können, sondern gross genug, um sich Zeit für andere nehmen zu können!

Politische Prozesse brauchen Zeit

Also machte ich mich zuerst auf die Suche nach zwei Interimsprorektoren und verfolgte dann das Ziel, die pädagogische Schulleitung definitiv auf drei Personen auszubauen. Ein Prozess, der 17 Monate in Anspruch genommen hat – die eingangs erwähnte Probezeit für Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado. Denn Strukturen nachhaltig zu verändern und das richtige Team zusammenzustellen braucht Zeit.

Der Ausbau der pädagogischen Schulleitung auf drei Personen ist nicht etwas, das ein Rektor allein entscheiden und umsetzen kann. Involviert waren in einem ersten Schritt der Chef des Amtes für Mittel- und Hochschulen und das Personalamt des Kantons Thurgau; in einem zweiten Schritt auch die Chefin des Departements für Erziehung und Kultur. Von allen erfuhr ich viel Zuspruch, Vertrauen und Unterstützung, ohne die nichts möglich gewesen wäre.

Dann musste aber auch der Gesamtregierungsrat von der Idee überzeugt werden – sicherlich kein leichtes Unterfangen für unsere Departementschefin Monika Knill. Gerade in einer Zeit, in der ein Stellenausbau und die damit einhergehenden Mehrausgaben kontraintuitiv wirken mögen. Im Dezember 2021 musste dann auch der Grosse Rat des Kantons Thurgau noch dem Gesamtbudget 2022 zustimmen, Teil dessen der geplante Stellenausbau ist.

Die Suche nach dem pefekten Team

Der positive Entscheid des Grossen Rates bedeutet, dass die KSK ab Januar 2022 neu mit zwei regulären Prorektoren arbeiten darf; Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado hatten bis dahin erst als Interimsprorektoren gewirkt. Denkbar wäre es zu jenem Zeitpunkt gewesen, die zwei nun definitiven Stellen auszuschreiben, so dass sich die beiden Interimsprorektoren – und jede andere Person innerhalb und ausserhalb der KSK – dafür bewerben kann.

Denkbar, ja. Aber auch sinnvoll? Kaum! Oder würden Sie es richtig finden, wenn Sie nach gelungener Probezeit nochmals eine letzte Aufnahmeprüfung schreiben müssten? Eben! Trotzdem beantwortet dies alles nicht die Frage, warum die Wahl ganz zu Beginn dieser langen Geschichte – also im August 2020 – gerade auf Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado fiel. Immerhin gab es viele mögliche Kandidatinnen und Kandidaten.

Greifen wir zur Erklärung auf die sogenannte Alltagspsychologie zurück, die bei der Partnerwahl oft bemüht wird. Denn letztlich sind auch Berufsbeziehungen nichts als Beziehungen. «Gleich und gleich gesellt sich gern!» besagt ein bekanntes Sprichwort. Wer könnte dem nicht zustimmen? Wer sich gut versteht, wird gut zusammenarbeiten können. Logisch, irgendwie. Warum sollte man sich mit jemandem abgeben wollen, mit dem man sich immerzu streitet?

Eine andere Redewendung, der die meisten wohl auch zustimmen können, besagt aber das Gegenteil der erstgenannten: «Gegensätze ziehen sich an!» Vermutlich wird nun klar, warum man von Alltagspsychologie spricht. Beide Sprichwörter sind dazu dienlich, Alltagsereignisse ein Stück weit zu erklären, taugen aber als allgemeingültige Regeln, die langfristige Entscheidungen erklären, nichts. Denn sie schliessen sich gegenseitig aus.

Von States und Traits

Eine Möglichkeit, den gegenseitigen Ausschluss beider alltagspsychologischen Sprichwörter doch aufzulösen, besteht darin, zwischen werteorientiertem Idealismus und handlungsorientiertem Pragmatismus zu unterscheiden: Beide Redewendungen können gleichzeitig nebeneinander ihre Gültigkeit haben, wenn sich die eine auf die grundsätzliche Werteorientierung bezieht, während die andere auf effektive Handlungsansätze Bezug nimmt.

Werte gehören zum Bereich sogenannter Traits. Darunter werden in der Persönlichkeitspsychologie Eigenschaften und Fähigkeiten verstanden, die nicht situationsabhängig sind. Grosszügige Menschen sind immer grosszügig, egal wen sie vor sich haben. Klar können sie sich vornehmen, nicht jedem talentierten Strassenmusiker Geld zu geben – aber am liebsten würden sie es tun.

States beschreiben hingegen Handlungsweisen, die massgeblich von der jeweiligen Situation oder auch von der eigenen momentanen Verfassung beeinflusst sind. Menschen, die schlecht gelaunt sind, sind in der Tendenz weniger spendabel als gutgelaunte Menschen – ausser Grosszügigkeit gehört zu ihren fest verankerten Traits. Entsprechende psychologische Befunde konnten seit Jahrzehnten mehrfach bestätigt werden.

Auswahl dank Alltagspsychologie

Die Redewendung «Gleich und gleich gesellt sich gern!» stimmt, wenn es dabei um Traits geht, also um konsistente Werteorientierungen. Ohne sie hier nennen zu wollen – denn dann würde ich auch über mich sprechen – war es mir ein Anliegen, in der Schulleitung mit Menschen zusammenarbeiten zu dürfen, die meine Werte bewusst oder unbewusst teilen. Werte, die in jeder Situation die Grundlage des Denkens prägen.

Gleichzeitig ist die Redewendung «Gegensätze ziehen sich an!» korrekt, wenn es dabei um spezifische Alltagsmomente geht, in denen es gilt, möglichst viele Perspektiven miteinzubeziehen: Um nachhaltige Lösungen zu finden, braucht es möglichst viele Ansichten, die sich bestenfalls vollkommen voneinander unterscheiden. Nur dies führt zu einem fruchtbaren Diskurs statt zu gedanklicher Homogenität.

Dass die Schulleitung nicht homogen zusammengesetzt ist, zeigt sich auch in der Vertretung der Fachschaften. Geraldine Lamanna bleibt Lehrperson für Mathematik und Informatik, Daniel Hurtado wiederum für Geschichte und Deutsch. Ich wiederum darf weiterhin Pädagogik/Psychologie unterrichten und bin zudem Lehrperson für Philosophie/Religion. Zu dritt vertreten wir also sowohl die Natur-, Sprach-, Sozial- wie auch Geisteswissenschaften.

In diesem Sinne durfte ich in Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado – das haben die vergangenen 17 Monate Probezeit mehrfach bewiesen – Menschen finden, mit denen ich einerseits situationsüberdauernde Werte teile, mich andererseits aber auch situationsspezifischen Gegenpolen ausgesetzt sehe. Und deshalb darf ich mich mit ihnen freuen, dass sie offiziell zu den Prorektoren unserer Kantonsschule ernannt wurden. Herzlichen Glückwunsch!

Geraldine Lamanna und Daniel Hurtado freuen sich über die Wahl. (Johannes Rebhan)

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