Zu lernen, ein gewisses Mass an Stress auszuhalten, ist als Lebensschule und für den späteren Studienalltag durchaus hilfreich. Dennoch stellte sich die Schüler- und Lehrerschaft beim Thema Belastung schon länger gemeinsam die Frage: Ist weniger nicht mehr?
Daniel Hurtado
Letztlich war die Diagnose klar: Die Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Kreuzlingen leiden punktuell unter hoher Belastung. Das zeigten Vernehmlassungen anlässlich des Politiktages 2021, wo die Schülerinnen und Schüler besonders die Hausaufgabenmenge und die Prüfungsverteilung als Indikatoren dafür anführten. Auch die letzte externe ifes-Evaluation bestätigte davor den subjektiven Eindruck, dass gerade die ungleiche Verteilung der Prüfungen übers Semester hinweg belastend wirken kann.
Prüfungen sorgen übrigens nicht nur bei den Klassen gehörig für Stress, sondern auch bei den Lehrpersonen. Die Weiterbildungstage des Kollegiums zum Thema Salutogenese 2019 belegten, dass das Kollegium selbst ebenso tangiert ist.
Seither ist an Lösungen für das Problem gearbeitet worden. Namentlich an zwei Weiterbildungstagen 2022 haben das Kollegium und die Qualitätssicherungsgruppe konkrete Massnahmen in drei Bereichen erarbeitet, um die Situation zu verbessern. Mit dem Dezemberkonvent ist dieses Konzept nun in Kraft und wird schon im Frühlingssemester 2023 umgesetzt.
Bereich Persönlichkeitsbildung
Belastung hängt an einer Schule selbstverständlich stark mit der Anzahl Prüfungen zusammen. Dennoch spielen persönliche Aspekte eine grosse Rolle dabei, wie viele Prüfungen für jemanden denn wirklich zu viele sind. Beispielsweise die richtigen Lern- und Arbeitstechniken oder ein effizientes Zeitmanagement sind enorm hilfreich.
Als Unterstützung der bereits bestehenden Angebote wie dem MyDay oder den Lerncoachings von Nina Schwab werden in Zukunft weitere Module geschaffen, mit denen die Klassenlehrpersonen arbeiten können. Belastung lässt sich zwar nicht gänzlich vermeiden – es kann aber ein gesunder Umgang damit erlernt werden.
Bereich selbständige Arbeit
Neben den omnipräsenten Prüfungen prägen auch Projekte und andere selbständige längerfristige Arbeiten den Lernalltag der Schülerinnen und Schüler. Neu werden diese oft intensiven Arbeitsphasen an den Klassenkonferenzen unter den verschiedenen Fachlehrpersonen koordiniert. Dabei streben die Lehrpersonen aus der Sicht der Schülerinnen und Schüler eine möglichst gleichmässige Verteilung über das Semester hinweg an.
Bereich Prüfungsverteilung
Wie die intensiven und durchaus selbstkritischen Diskussionen im Konvent und an den Weiterbildungstagen gezeigt haben, bildet der Aspekt «Prüfungsverteilung» sowohl für die Schülerorganisation SO als auch für die Lehrerschaft den Kern der Belastungsthematik. Es waren sich rasch alle beteiligten Parteien einig, dass es in Zukunft keine so grossen Belastungsspitzen wie jetzt mehr geben darf.
Um dieses Ziel zu erreichen, sind neu höchstens noch zwei Prüfungen pro Woche zulässig. In den höheren Jahrgängen können punktuell Prüfungen aus dem Schwerpunkt- oder Ergänzungsfach dazukommen. Im Vergleich zur gänzlich unlimitierten gegenwärtigen Situation stellt das neue Konzept eine immense Verbesserung in diesem entscheidenden Punkt dar.
Wie weiter?
Bereits im kommenden Frühlingssemester werden die neuen Massnahmen in einer Pilotphase erstmals umgesetzt. Die Qualitätssicherungsgruppe wird dieses Semester gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern evaluieren. Danach wird sich zeigen, welche Anpassungen am Konzept allenfalls noch nötig sind. Eines ist aber jetzt schon klar: Die getroffenen Massnahmen sind einschneidend und zeigen, dass der Worte nun genug gewechselt sind. Schüler- und Lehrerschaft wollen nun gemeinsam Taten sehen.
1 comment