Jedes Jahr ermöglicht die F.A.Z. (Frankfurter Allgemeine Zeitung) Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 8 bis 13 am Projekt «Jugend schreibt» teilzunehmen. Weltweit bewerben sich seit 36 Jahren verschiedene Klassen deutschsprachiger Schulen, von denen jeweils genau hundert ausgewählt werden. Ziel ist es, jungen Menschen einen Zugang zum Medium Zeitung zu verschaffen und einen theoretischen wie praktischen Einblick ist das journalistische Arbeiten zu bieten. Ein Highlight dieses Projekts ist die Chance, jeweils montags einen von drei bis vier Artikeln in der Rubrik «Jugend schreibt» zu veröffentlichen.
Carina Lukosch
Die KSK nimmt bereits zum zweiten Mal teil und darf bereits über zehn Publikationen zählen. Vom Gehörlosen-Curling, über eine Mittelalterstadtführung in Konstanz bis hin zu einer Reportage über die Covid-19-Station im Spital Münsterlingen reichten die Themen im Projektjahr 2022/23. Nun haben die damals schreibenden KSK-Schülerinnen und -Schüler bereits Matura (2022) und der Nachwuchs sitzt schon in den Startlöchern. Wir haben in den aktuell teilnehmenden Klassen, 3Mc (betreut von Antje Brackemann) und 26Ma (betreut von Carina Lukosch), nachgefragt, warum sie mitmachen und wie sie die Arbeit als Schüler-Journalistinnen und -Journalisten empfinden.
Von der Idee zur Publikation
«Wenn der Weg das Ziel ist, dann ist die Veröffentlichung eher nebensächlich», findet Tobias aus der 26Ma, der gerade dabei ist, ein Abstract in eine fertige Reportage zu verwandeln. Der Weg von der Idee bis zur Annahme desselben ist weit und mitunter steinig. Viele haben Angst, «dass man lange schreibt, es aber trotzdem schlussendlich nicht zu einer Veröffentlichung schafft» – wie beispielsweise Krystof, der einen Artikel über die Marine oder den Schiffsbau am Bodensee schreiben will. Das Schreiben von Reportagen und Porträts ist für die Schülerinnen und Schüler Neuland und bedeutet intensives Arbeiten. «Motivierend ist vor allem der Moment, in dem der Kommentar für die Idee eines Artikels aus Frankfurt zurückkommt: Angenommen oder abgelehnt, einfach durchgewunken oder Annahme unter Vorbehalt», schildert Julia Heier, die das Projekt 2021 erstmals an der KSK lanciert hat. «Dieser Nervenkitzel gehört ebenso dazu wie die Erfahrung, dass Schreiben eine Fähigkeit ist, die erlernt werden kann.» Je intensiver das Arbeiten an einem Text, desto grösser der Fortschritt.
Die Chance auf einen Sechser
Die Vereinbarung, dass für einen angenommenen und auf Publikation wartenden ein zusätzlicher Sechser im jeweiligen Semester gutgeschrieben wird, reizt die Schreibenden. Das Engagement für das Projekt hat also sowohl ideellen Wert und verleiht Prestige – denn wer kann schon von sich behaupten, in einer der grössten deutschsprachigen überregionalen Zeitung publiziert zu haben? – als auch direkten Einfluss auf das Leistungsbild. Und die «Chance auf einen Sechser» wollen zumindest Justin (3Mc) und Efe (26Ma) nicht einfach so an sich vorüberziehen lassen.
Der Weg zur Publikation geht über den Korrekturstift
Dennoch ist das Projekt zunächst eher abstrakt. Niemand weiss so richtig, wie man sich das vorstellen soll, wie Ideen für Artikel ausgetauscht und geformt, Beiträge hin- und hergeschickt und zum wiederholten Male überarbeitet werden. Der Weg zur Publikation geht über den Korrekturstift. Der Respekt vor dem Projekt und die Sorge zu viel Zeit investiert und letztlich nichts veröffentlicht zu haben, ist spürbar. «Auch die Frage, ob die Interviewpartner von den vielen Fragen genervt sind», beschäftigt Anika aus der 3Mc.
Neben der Möglichkeit, die eigene Note aufzuhübschen, hat der 16-jährige Krystof auch einen wirtschaftlichen Vorteil darin erkannt, «ein Jahr lang einen kostenfreien Zugang zur Online-Ausgabe der FAZ zu erhalten». Einen persönlichen Vorteil sehen die Klassen in der Chance, direktes Feedback von professionellen Journalistinnen und Journalisten, die dieses Projekt betreuen, zu erhalten.
Schreiben als Form des Ausdrucks zu erkennen und sich dem Potenzial dieser Fähigkeit bewusst zu werden, kommt in unserer von Kurzlebigkeit geprägten Gesellschaft oftmals zu kurz. Kommunikation, sich ausdrücken zu können, ist die Basis unseres Zusammenlebens, ist die Eingangstür für einen guten Ausbildungsplatz, ist Grundlage zielführender Gespräche, Motor für das Durchsetzen von Interessen. «Gute Texte haben mehr Einfluss auf andere Menschen», meint Anika (3Mc) und verspricht sich vom Projekt besser schreiben zu lernen – denn sie ist sich sicher, dass gute Texte eine grössere Reichweite haben und mehr Beachtung finden.
Ein sprachliches Foto schiessen
Als Einstiegsübung gehen die angehenden KSK-Journalistinnen und Journalisten an einen belebten Ort in und ausserhalb der KSK und beobachten Menschen. Sie suchen sich eine Person oder eine Gruppe aus und notieren für einen gewissen Moment, was diese Person oder Gruppe macht, wo sie sich befindet, wie sie sich verhält. An dieser Stelle sind Sinneseindrücke gefragt; Geräusche, Gerüche, Farben, Haptisches. Das, was mit Sinnen wahrgenommen wird, soll in Worte gefasst werden, um den Leser oder die Leserin verbal in die Situation zu versetzen; aber das ist gar nicht so einfach, besonders, wenn man wie Justin (3Mc) gar keinen multisensorischen Eindruck haben möchte oder wie Elisa und Linda (3Mc) findet: «Es ist mir egal, ob jemand braune oder blaue Augen hat». Julia Heier hingegen schwärmt von dem Moment, «in dem es den Jugendlichen gelingt, ein präzises sprachliches Foto zu schiessen.» «Da die Jugend-schreibt-Rubrik von Grafikern illustriert, aber nicht mit Fotos versehen wird, ist dies – gerade bei Porträts – unheimlich wichtig», führt die Deutschlehrerin weiter fort.
Inspiration aus dem privaten Umfeld
Der Weg zur Idee für einen Beitrag führt über die Frage, was die Jugendlichen selbst spannend finden und worüber sie gerne lesen würden. Damian aus der 26Ma erzählt: «Ich habe mit einem Mindmap mit meinen Interessen gestartet. Dann habe ich geschaut, welche Personen in meiner Nähe etwas in diesem Bereich machen und diese schliesslich kontaktiert.» Zino aus der Klasse 3MC erklärt: «Ich habe viel mit anderen Personen gesprochen, um mir einerseits Inspiration zu holen und andererseits meine Ideen zu formen. Der Austausch hat daheim, im Freundeskreis und innerhalb der Klasse stattgefunden.»
Up to date dank F.A.Z.
Jeden Morgen erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Newsletter, in dem die F.A.Z.-Redaktion einen Kurzüberblick über die neusten Geschehnisse in der Welt informiert. Selbst wenn man nur – so wie Justin aus der 3Mc – die Schlagzeilen liest, erhält man einen Überblick und bleibt so «up to date» – zumindest im To-go-Format. «Hilfreich sind vor allem auch die vielen Lesephasen», führt die 39-jährige Julia Heier aus, «in denen gemeinsam Zeitung gelesen und über die einzelnen Artikel diskutiert wird.» Darüber hinaus ist der Vergleich einer überregionalen Qualitätszeitung wie der F.A.Z. mit den lokalen Medien spannend.
Ein weiterer Vorteil, den Jugendliche aus dem Projekt ziehen können, so Tobias (26Ma), ist es «zu lernen, mit Rückschlägen umzugehen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken, wenn die Idee für eine Reportage nicht für gut befunden wird.» Umso motivierender ist es, wenn Dr. Titus Maria Horstschäfer (verantwortlicher Jugend-schreibt-Redakteur), der die Ideen oder erste Entwürfe innerhalb weniger Stunden kommentiert, unsere Schülerinnen und Schüler mit einem Feedback überrascht und die KSK-Neulinge auf dem Gebiet des Journalismus für ihre vorbildliche Arbeit lobt!
Schreiben ist Arbeit, gutes Schreiben ist viel Arbeit – doch der Mehrwert ist enorm: Die Kompetenz, genau das zu formulieren, was man ausdrücken möchte, ist unheimlich bereichernd – und wesentlich für unser alltägliches Miteinander. Schön, dass wir ein zweites Mal schon dabei sein dürfen.