Julia Heier
Als Lehrpersonen treffen wir täglich eine Vielzahl von Entscheidungen. Im Netz ist die Rede von rund 200 Entscheidungen je Unterrichtsstunde, das wären bei einem Vollpensum 4600 Entscheidungen je Arbeitswoche, die Zeit der Vor- und Nachbereitung einmal ausser Acht gelassen. Wir beantworten Fragen, wie «Darf ich beim Schreiben Musik hören?», «Können wir die Prüfung verschieben?», «Sollen wir in den Sprachaufenthalt nach Frankreich fliegen?» oder auch «Was mache ich, wenn ich nicht mehr weiterweiss?». Und hinter jeder Antwort, hinter jeder Reaktion, zu der wir uns entschliessen oder sie bewusst unterlassen, steht ein Glaubenssatz, eine persönliche Haltung, unsere eigene Philosophie von Schule, die wir im Laufe unserer Tätigkeit entwickelt haben und die wir in der Mehrzahl der Fälle mit unseren Kolleginnen und Kollegen teilen.
So haben wir uns als Kollegium beispielsweise im Konvent im Dezember 2023 dazu entschieden, dauerhaft eine Regelung einzuführen, die grundsätzlich nur zwei Prüfungen in den Grundlagenfächern je Woche vorsieht – um unsere Schülerinnen und Schüler zu entlasten, die bei einer Befragung angaben, unter grossem Druck zu stehen. Was vielen von uns Lehrpersonen im Alltag die Suche nach einem Prüfungstermin erschwert, weist auf vom gesamten Kollegium getragene gemeinsame Werte hin: Wir haben uns zu Entgegenkommen, zur Empathie, zur Achtsamkeit mit unserer und der Gesundheit unserer Schülerinnen und Schüler entschlossen.
Im Jahr 2010 hat die damalige Schulleitung der KSK ein Qualitätsleitbild mit dem Titel «Wir» herausgegeben, das die Werte- und Zielvorstellungen unserer Schule auf drei Seiten festhält. In den letzten 14 Jahren ist dieses Wir gewachsen, das Kollegium hat sich verändert und mit ihm auch seine Bedürfnisse sowie die Ansprüche unserer Schülerschaft und der Gesellschaft.
Im Jahr 2024 wollen wir deswegen als Schulfamilie, und dazu zählen rund 400 Personen, ein neues Leitbild entwerfen. Darin sollen die Prämissen des für uns selbstverständlich gewordenen täglichen Handelns nach aussen hin sichtbar gemacht werden im gleichen Masse wie Bereiche, in denen wir noch Entwicklungspotential haben – damit unser Profil noch greifbarer wird für unsere zukünftigen Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern, für neue Kolleginnen und Kollegen als auch für uns, denen das Gestalten des Leitbilds als Reflexion über das eigene Handeln dient.
Am Konvent vom 16. Februar hat die Q-Gruppe den Prozess im Kollegium angestossen: Auf einem Echtzeit-Feedback-Tool wurden die ersten Gedanken zum Thema gesammelt, Erwartungen, Vorstellungen und Wünsche von einzelnen Schülerinnen und Schülern sowie der Schulleitung formuliert, die Q-Gruppe hat die Schnittstellen zu ihren Aufgabengebieten, der Qualitätssicherung und der Schulentwicklung, aufgezeigt und anschliessend zu einem Apéro eingeladen, bei dem die Lehrpersonen erste bereits bestehende sowie in Zukunft zu stärkende Werte in Kleingruppen formuliert und auf Postern festgehalten haben.
Ende 2024 soll der Prozess abgeschlossen sein, so dass die 29M-Klassen im Schuljahr 2025/26 mit einem aktuellen Leitbild in ihre Kanti-Zeit starten können. In den kommenden Monaten werden kleinere Leitbild-Projekte in den Klassen, Fachschaften sowie im Rahmen einer Retraite mit dem gesamten Kollegium organisiert.
Bis dahin heisst es für uns, im Unterricht weitere rund 150.000 Entscheidungen zu fällen und wo immer möglich: das pädagogische Prinzip dahinter zu erkennen.