The Wave – Macht über Menschlichkeit

The Wave – Macht über Menschlichkeit

Die American Drama Group überzeugt am 2. Dezember im Ulrichshaus mit ihrer Inszenierung von Morton Rhues Roman The Wave. Mit einfachen Mitteln zeigen die Künstler den 3. und 4. Klassen auf, wie leicht es ist, dem Bann von Macht, Charisma und Gemeinschaftsgefühl zu verfallen und dabei sich selbst zu verlieren.

Corina Tobler

Die Welle nimmt Geschwindigkeit auf: Ben Ross und die Klasse mit Uniform, Logo und viel Disziplin. (Corina Tobler)

Laurie kann es nicht fassen. Entrüstet stellt die Musterschülerin ihren Geschichtslehrer Ben Ross nach der Lektion, verstört vom Gesehenen. Wie konnte es geschehen, dass Millionen Deutscher Adolf Hitlers NSDAP so blind folgten, dass wiederum Millionen anderer Menschen im Holocaust ihr Leben verloren? Der Lehrer ringt nach Antworten und findet schliesslich nach schlaflosen Nächten nur eine: Ein Experiment muss her, um der Klasse aufzuzeigen, wie so etwas möglich ist. «The Wave» ist geboren.

Dies passiert nicht nur in der Adaption von Morton Rhues Roman so, sondern ereignete sich 1967 tatsächlich an einer amerikanischen Highschool. Auf der Bühne übernimmt Ben Ross in Lauries Klasse das Diktat und führt neue Regeln ein.

Strength through discipline, strength through community, strength through action!

die Mottos von The Wave

Schon bald ist Lauries Freund, Footballer David, von The Wave so überzeugt, dass er sie ins stets verlierende Footballteam trägt, in dem auch Klassenclown Eric spielt. Doch niemand ist mehr Feuer und Flamme für die neue Bewegung als Aussenseiter Robert, der plötzlich einen Sinn in seinem Leben erkennt, von den anderen akzeptiert wird und innerhalb von The Wave zum Leistungsträger wird.

«Ihr wärt exzellente Nazis gewesen»

Bald hat die Welle der Begeisterung die ganze Schule (und ein bisschen auch das Publikum) erfasst, was die nur fünf Schauspieler der American Drama Group trotz minimalistischem Set-Design und Dopplung diverser Rollen überzeugend verdeutlichen. Die Probleme lassen nicht lange auf sich warten. Wer an der schulweiten Kundgebung nicht dabei ist, wird ausgegrenzt; wer kein Mitglied von The Wave werden will, muss Angst vor Bestrafung haben. Auch Laurie wird zur Zielscheibe, denn sie wird bald skeptisch ob der blinden Akzeptanz der Welle, ihres Anführers und der damit einhergehenden Konformität. Eine Enthüllungsgeschichte, die sie im Schulmagazin Grapevine veröffentlicht, löst eine Eskalation zwischen ihr und David aus.

Doch nicht nur die Schüler lernen in The Wave eine Lektion, sondern auch ihr Lehrer. Ben Ross verwandelt sich zwar nicht in einen Doppelgänger Adolf Hitlers, den er den Wave-Mitgliedern im dramatischen Finale als ihren Führer enthüllt. Dennoch erschrickt er darüber, wie sehr er in der Führerrolle aufgeht – und wie weit er die Entwicklung der Bewegung voranschreiten lässt. «You would have been excellent Nazis», stellt er fest und lässt die Welle brechen, denn die Illusion ist – genau wie Roberts Träume – geplatzt.

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